Wir erkennen Formen, Farben, Bewegungen und sogar Stimmungen in den Gesichtern unserer Mitmenschen. Dabei ist Sehen für die meisten von uns so selbstverständlich, dass uns nur selten ins Bewusstsein rückt, mit welchem Wunder wir es zu tun haben. In unserer Fertigungshalle für Oberflächenbearbeitung im bulthaup Werk im niederbayerischen Aich ist das anders. Das menschliche Auge spielt hier, ebenso wie die menschliche Hand, tagtäglich eine entscheidende Rolle. Denn im Zusammenspiel können beide eine Perfektion erzeugen, die sich durch den Einsatz von Maschinen allein nicht erreichen lässt.
Bevor unsere Küchen- und Raumsysteme nach Berlin, Bangkok, Los Angeles, Middlesex in England oder in den Rest der Welt verschifft werden, werden sie zunächst einer eingehenden Qualitätsprüfung unterzogen. Sehen und Tasten entscheiden darüber, ob eine Küchenfront den Vorgaben der bulthaup Qualitätsnorm und den Wünschen der Kunden auch wirklich gerecht wird. Da gibt es feinste Höhen und Tiefen, Brechungen, die gewollt sind, und Überraschungen, die es zu vermeiden gilt. Jede einzelne Küche, jedes einzelne Teil wird bei verschiedensten Lichtgegebenheiten auf Herz und Nieren geprüft – ganz gleich, ob die Oberflächen aus Lack, Echtholz oder Leder sind.
Dafür sind Menschen gefragt, die diesen kompromisslosen Qualitätsanspruch leben. Menschen wie Waltraud Riemer: Meistens erkennt die Qualitätsprüferin einen Fehler schon auf den allerersten Blick. Und gehen ihre Augen trotzdem auf die Suche, so tastet sie Kanten und Oberflächen parallel dazu vorsichtig mit den Händen ab. Übrigens lieber mit bloßen Händen, anstatt mit Handschuhen, weil der Tastsinn dann noch unverfälschter zum Einsatz kommt. Zwei Drittel Sehen und ein Drittel Tasten lautet die Formel von Waltraud Riemers Schule der Sinne. Dazu kommt ihre jahrelange Erfahrung. Sie weiß, welche Farbabweichungen bei den unterschiedlichen Holzarten und Lackverfahren sein dürfen. Wann eine Kante fein genug ist und sauber verleimt. Wo man noch etwas nacharbeiten kann und welche Oberflächenveränderungen sich rückstandslos entfernen lassen. Für Waltraud Riemer sind Oberflächen Spürzonen, Fühlgebiete und Schauplätze.
Jede Küchenfront wird für die Prüfung auf einer Aufstellwand so sortiert, wie sie später auch im Haus des Kunden aussehen soll. Kein Teil darf fehlen. Bei Holz wird besonderes Augenmerk auf die Maserung gelegt: Ist sie durchgängig? Schließen alle Schranktüren und Frontstücke richtig aneinander? Auch der Verlauf ist entscheidend: Sind die Oberschränke heller als die Schränke unten, kann das am Wuchs des Holzes, dem Beizvorgang und der Lackierung liegen. Denn bestimmte Hölzer erhalten erst durch das Auftragen von Lacken ihre endgültige Oberflächenfarbe. „Ich kenne die verschiedenen Hölzer. Die Beschaffenheit einer Oberfläche, auch bei den Lackvarianten“ erklärt Waltraud Riemer. „Einen minimalen Grad an Abweichungen von der Norm tolerieren wir auch, einen winzigen schwarzen Punkt zum Beispiel. Einen „Pickel“ - also eine Erhebung – aber nicht.“ So wird das Ergebnis eines jeden Arbeitsschrittes mit Bedacht und Sorgfalt geprüft. Genügt ein Teil nicht den Vorgaben der bulthaup Qualitätsnorm, geht es in die entsprechende Bearbeitungsstufe zurück. Solange, bis es den Anforderungen der Schule der Sinne genügt.