Diese altüberlieferte Geschichte des japanischen Zen-Mönchs und Teemeisters Sen no Rikyu hat ihren Ursprung im frühen sechzehnten Jahrhundert. Dennoch büßt sie nichts an Faszination ein, gewährt sie doch einen kleinen Einblick in die Spiritualität japanischer Ästhetik, dem Wabi Sabi. Sen no Rikyu war es, der Wabi Sabi durch eine Reform der Teezeremonie zur Vollendung brachte: Er besann sich auf das Einfache und Unscheinbare. Sein Teeraum war karg, die Wände ungeschmückt. Das Teegeschirr entstammte nicht berühmten Manufakturen und wies keine unnötigen Verzierungen auf. So bewirkte der Meister, dass kein Gegenstand sich hervorhob, sondern erst im Laufe der Zeremonie seine Bestimmung erlangte, um gleich danach wieder an Bedeutung zu verlieren.
Dieser gleichförmigen Ritualisierung der Bewegungen wohnt eine ganz eigene Philosophie inne. Ihr zufolge verlieren die Dinge durch Wabi Sabi ihren ursprünglichen Funktionswert, gewinnen dafür aber an individuellem Eigenwert. So wird der Betrachter zu einem Perspektivwechsel eingeladen. Dazu, die Dinge des alltäglichen Lebens neu zu betrachten, das Vollkommene im Unvollkommenen zu entdecken, die Essenz und den Wert alter Gegenstände und deren Materialität zu erkennen. Ihre ganz eigene Ästhetik zu begreifen. Deshalb sind es vor allem naturbelassene Werkstoffe, die den Geist des Wabi Sabi in sich tragen. Denn einerlei, ob es sich um Holz, Stein oder Metall handelt – insbesondere natürliche Materialien entwickeln im Laufe ihres Lebens eine ganz eigene Patina. Sie alle wandeln sich mit der Zeit und nehmen die Spuren des Lebens in sich auf, ohne je ihre Authentizität zu verlieren.
Im ursprünglichen Sinn sind Dinge, denen Wabi Sabi Qualität zugeschrieben wird, voller wehmütiger Traurigkeit. Sie erzählen von existenzieller Einsamkeit und der Vergänglichkeit des Seins. Was im ersten Moment deprimierend klingt, enthält bei genauerer Betrachtung viel Inspiration und hat heute eine sehr positive Bedeutung erlangt. So weiß die alte Tafel aus Eiche von schönen Stunden zu berichten, die an ihr verbracht wurden. Die oft genutzte Steinplatte zeugt wie ein Spiegelbild von geselligen Abenden. Und die Narben des hölzernen Schneidbretts erinnern an viele Mahlzeiten, die auf ihm zubereitet wurden. Es ist diese Wertschätzung der Gegenstände und Materialien, gepaart mit der nötigen Gelassenheit, die die Seele und die Faszination des Wabi Sabi ausmachen. Leonard Koren, der zahlreiche Bücher darüber verfasst hat, beschreibt es mit folgenden Worten: „Beschränke alles auf das Wesentliche, aber entferne nicht die Poesie.“