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„Das Messer hat für japanische Köche eine ganz andere Bedeutung als für solche im Westen – ihre Verbindung zum Instrument spiegelt ihre Seele als Koch wider.“ Tohru Nakamura

Tohru Nakamura inspiziert die Messer in seiner Küche

Tohru Nakamura, Küchenchef des mit zwei Michelin-Sternen und 18 Gault-Millau-Punkten ausgezeichneten Restaurants Werneckhof by Geisel in München, empfindet größte Hochachtung vor der japanischen Messerkultur und hält sie auch in seiner eigenen Küche hoch. Denn sie verkörpert in einzigartiger Weise höchste Wertschätzung für den Akt der Zubereitung von Speisen und für das Lebensmittel selbst.

Bevor der Sohn einer deutschen Mutter und eines japanischen Vaters nach Europa aufbrach, wurde ihm die besondere Ehre zuteil, bei Satoru Akiyama hospitieren zu dürfen. Der Tokioter Meister dessen Kochkünste unter anderem der japanische Kaiser in Anspruch nimmt, schenkte ihm zum Abschied ein Fischfiletiermesser, das für Tohru Nakamura seither ein wichtiger Begleiter ist.

Nahaufnahme eines Fischfiletiermessers, ein Geschenk des japanischen Meisterkochs Satoru Akiyama
Tohru Nakamura begutachtet die einzigartigen Schmiedemuster seines Messers

Qualität liegt in der Konzentration

Das Schneiden von Lebensmitteln beeinflusst deren Geschmack. „Jeder Kompromiss, jede Unachtsamkeit zieht sich bis zum Schluss durch. Präzision und Bewusstheit beim Schneiden sind essentiell; sie entscheiden über Aussehen, Geschmack, Präsenz und Komposition dessen, was auf dem Teller liegt. Was einmal geschnitten ist, ist geschnitten. Das lässt sich nicht widerrufen. Jeder Schnitt ist also eine Mischung aus Kompromisslosigkeit und Wertschätzung.“

Am besten lässt sich das im Bereich der Zubereitung von Fisch beobachten. „Nehmen Sie zum Beispiel das Filetieren von Fisch. In einer deutschen Küche können Sie bei acht Köchen bis zu fünf unterschiedliche Arten des Vorgehens sehen. In Japan werden Sie bei acht Köchen achtmal die exakt gleiche Handhabung erleben. Die große Kunst besteht darin, davon abzusehen, immer etwas Neues zu tun. Sie besteht darin, das, was man tut, mit Präzision und Perfektion zu bewerkstelligen.“

In Japan gibt es auf Basis genau dieser Haltung viele Restaurants, die sich auf nur ein Gericht spezialisieren: nur Ramen, nur Yakitori oder nur gegrillter Aal. Denn Fokussierung führt zu mehr Qualität. Hier nimmt man sich deshalb auch sehr viel Zeit für die Lehrjahre, alles erfolgt mit Ruhe und Bedacht, mit einer bescheidenen und im Höchstmaß wertschätzenden Haltung, die alles durchzieht.

Tohru Nakamura beim Filetieren eines Fisches

Wenn Körper, Seele und Werkzeug verschmelzen

Das Wissen darum beeinflusst jeden Handgriff Tohru Nakamuras und seines Teams in München. Die Wahl des richtigen Messers bekommt dabei einen fast metaphorischen Charakter: „Ein Messer wird zu ‚meinem‘ Messer, wenn alles stimmt: Griffigkeit, Patina und Charakter. Irgendwann kann ich blind zu einem Messer greifen und erkennen, ob es meins ist oder nicht. Das Messer wird zu einer Verlängerung meines Armes – es verschmilzt mit meiner Art, es zu benutzen.“

Am Ende eines jeden Arbeitstages werden die Messer gewissenhaft gepflegt. Sie werden abgetrocknet und mit etwas Öl sorgsam eingerieben. Tohru Nakamura beschreibt dieses Ritual als eine Arbeit am Wesentlichen, einen Moment der Entschleunigung, eine Verschmelzung von Körper und Seele.