Als die Neunjährige damals das Wohnzimmers des Gastgebers betrat, dem Designer Halston, bot sich ihr ein unvergesslicher Anblick: Andy Warhol, Liza Minelli, Farrah Fawcett und Ryan O’Neal waren um ein angenehm loderndes Feuer versammelt. Nicht nur der Gemütlichkeit wegen, sondern vor allem, um sich vor der kühlraumartigen Kälte im Raum zu schützen, die die Klimaanlage verursachte. Als Jennifer Rubell dieses Dinner später verließ, trug sie stolz eine Serviette in der Hand, auf der Andy Warhol sie portraitiert hatte – signiert mit „To J. R., Love Andy“. Inspiration genug, um kurze Zeit später selbst ihr Debüt als Gastgeberin im Kreise gleichaltriger Freunde zu geben.
Dass Essen nicht gleich Essen ist und immer mehr als nur eine Nahrungsaufnahme mit vielen Personen, vermittelten ihr auch ihre Eltern schon in sehr jungen Jahren. Don und Mera Rubell, die heute zu den wichtigsten Kunstsammlern der Welt gehören, legten den Grundstein für die spätere Obsession der Tochter. So gern sie zu Dinnerpartys gingen, so gern luden sie auch Gäste aus der Kunstwelt ein. Der Besuch ihrer Abendessen gehörte schnell zum guten Ton. Die Leichtigkeit des Seins war deren einfaches Geheimnis. „Es ging um das Zusammentreffen, um die Herstellung von Magie. Nicht um Luxus“, beschreibt es Jennifer Rubell.
Es sollte eine dieser Dinnerpartys im Hause ihrer Eltern sein, die schließlich den Beginn ihrer Karriere bedeutete. Oder besser gesagt der Abend danach, als ein verspäteter Gast an der Tür klingelte: Es war kein geringerer als Jeff Koons, der sich im Datum geirrt hatte. „Meine Mutter sagte, er solle trotzdem hochkommen und einfach zum Abendessen bleiben“, erinnert sich Jennifer Rubell. Also setzte er sich mit an den Familientisch – so unkonventionell und entspannt begann eine enge Sammler-Künstler-Freundschaft. Für Jennifer Rubell öffnete sich gleichzeitig eine begehrte Tür, und mit nur 19 Jahren wurde sie die Assistentin von Jeff Koons – mit einer weiteren prägenden Erfahrung im Gepäck: Aus einem normalen Essen können in lockerer Atmosphäre ganz zwanglos die schönsten Dinge entstehen. Dazu braucht es keine komplizierten Arrangements, keine angestrengte Etikette, sondern nur ein bisschen Offenheit und die Bereitschaft, den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Diese besondere Magie, die an jedem Ort zu jeder Zeit entstehen kann und die keinem festen Ablaufplan folgt. Eine Magie, die allen beste Laune macht und ganz automatisch und mühelos zum Teil eines lässigen Gesamtkunstwerks werden lässt, faszinierte Jennifer Rubell seit jeher. Denn auf diese Weise, durch das entspannte Zusammenkommen von Menschen zum Essen, konnte sie die Welt immer wieder neu erfahren und neu erschließen. Für sie wurde daraus eine Mission, die sie die Grenzen zwischen Lebens- und Kunstwelt überwinden und zu einer der bekanntesten modernen New Yorker Künstlerinnen werden ließ. Ihre Arbeiten wollen Perspektive ändern, Perspektiven herausfordern, Gewohnheiten in Frage stellen. Und selbst erreicht sie doch die größte Stufe der Kontemplation beim Gemüseschneiden in der Küche, beim „Zustand des Denkens, während man nichts denkt.“