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Bunte Neonreklamen blinken in die sternenlose Nacht Tokios und die Stadtautobahn windet sich über den Dächern und Häusern in die Ferne. Versteckt in einer kleinen Seitenstraße von Roppongi, dem wilden Ausgehviertel im Zentrum der Stadt, befindet sich das Inakaya – ein Traditions-Restaurant, das auf nur wenigen Quadratmetern Kochen und Kommunikation wie kein zweites verbindet.

Zwei Köche vertieft in ihre Arbeit, im Zentrum des Raums. Davor warten verschiedene Lebensmittel auf ihre Verarbeitung

Betritt man das Inakaya, das nur durch den Noren, einen traditionellen Vorhang, vom Rest der Stadt getrennt ist, so scheinen die Heiterkeit und die Quirligkeit der Straße hier drinnen nicht verloren gegangen zu sein. Lebendig wie der berühmte Fischmarkt von Tsukiji und so klar und entschieden wie eine buddhistische Zeremonie, zelebriert das Inakaya das Urtümliche und Unverstellte in einem Raum, in dem Gäste erleben, schmecken und mit jedem Bissen tiefer hineingleiten, in eine Welt der ungestelzten Sinnlichkeit.

„Irashaimase – willkommen, hereinspaziert“, schallt es aus allen Ecken. Im Inakaya ist ein Mitarbeiter extra dafür abgestellt, jeden neuen Gast in dieser für Japan üblichen Form zu begrüßen. Danach lassen es sich auch die Köche, Kellner und Helfer nicht nehmen, seinem Beispiel zu folgen. Man nimmt Platz an der Theke, der einzigen Sitzmöglichkeit des Restaurants, mit Blick auf eine ausladende und leicht erhöhte Fläche. Sie ist die Bühne für die Hauptakteure des Abends: einer Fülle an rohen Speisen, die nur darauf warten, von den Yakikatas zubereitet zu werden, den Grillmeistern, die hoch konzentriert das Geschehen im Raum choreographieren.

Längsansicht der Theke an welcher die Gäste ihre Speisen zu sich nehmen
Ein Grillmeister des Inakaya bei der Zubereitung der Speisen

Bestellt ein Gast, greifen sie über die heißen Roste zu den Zutaten, die den gesamten Reichtum der japanischen Natur abzubilden scheinen. Von den Pilzen: Shiitake, Enoki, Shimeji, Maitake. Von den Bäumen: Ginnan, die Samen des Ginkgo-Baums, goldgelb leuchtend auf einen Holzstab gespießt. Dann: Rettich, Auberginen, Zucchini, Paprika, Zwiebeln, Okra und Edamame. Spieße mit Kobe-Rindfleisch, Entenfleisch und Garnelen. Und zwei Schüsseln, gefüllt mit Eis, darauf die Früchte des Meeres: große und kleine Fische, Muscheln, Tintenfische, rote und grüne Algen. Auf einem von vielen Messerspuren gekennzeichneten Holzbrett werden sie mit Öl bepinselt oder in Folie eingewickelt und auf den Grill gelegt. Dampf steigt aus einem Topf mit Süßkartoffeln, ein anderer verströmt den Duft von Reis. An der U-förmigen Theke genießen die Gäste das Spektakel, werden Teil davon und empfangen die Speisen, die ihnen auf einem einfachen Holzschieber gereicht werden. Alles ohne Schnörkel und Gehabe. Einfachheit auf höchstem Niveau.

Der Koch reicht Gästen mithilfe eines Holzschiebers ihre Speisen über die breite Auslage der Zutaten
Ein Koch gießt aus einer Tonschale Wasser in ein quadratisches Holzschälchen
Der Grillmeister beim Salzen einer großen, noch rohen Garnele
Zwei Fleischspieße werden über offener Flamme gegrillt

Das Inakaya, welches übersetzt „Das Haus auf dem Land“ bedeutet, verkörpert Küche vom Feinsten, ohne dass es ein kultiviertes Wissen voraussetzt. Alles ist, wie es ist. Aus dem Essen wird lediglich seine Essenz herausgekitzelt. Nicht mehr, nicht weniger. Das Inakaya ist zeitlos und spontan, es verströmt urige Gemütlichkeit, in der Menschen zusammenrücken und Kommunikation wachsen kann. Es ist ein Ort, der es vermag, Menschen aus ihrer Haltung zu lösen und sie hinein zu katapultieren in eine fast anarchische Stimmung, eine Euphorie, die anwächst und sich dann erst zu legen beginnt, wenn die ersten Gäste nach und nach den Raum verlassen - und mit jedem Gast, der geht, geht ein Stück der Seele des Kocherlebnisses. Es wird ruhig und irgendwann driftet auch der letzte Gast hinaus ins nächtliche Tokio. Zurück bleibt das Inakaya mit seinem Herdfeuer, das morgen wieder entfacht wird.